Die Macher

Kapitel 12 - 13. Juni 2007


Wie vorhergesehen, hatte Paul um 21 Uhr 15 wieder familienfrei. Weil Giovanne Elber mitwirkte, hatte er sich die ersten fünf Minuten von Let's dance mit angesehen. Dann tat er gelangweilt und sagte, er wolle lieber noch eine Tour machen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, das Wort machen aus seinem aktiven Wortschatz zu streichen. Aber das war gar nicht so einfach. Es rutschte ihm einfach immer wieder heraus. Eine Tour unternehmen, das hätte nicht so banal geklungen. Aber Paul wusste sich in Gesellschaft von Millionen Deutschen, für die es eine Art Volkssport zu sein schien, das Wort möglichst häufig in ihre Sprache einzubauen. Paul stolperte immer wieder über das machen. Das beschränkte sich beileibe nicht auf die Bild-Zeitung, deren sprachliches Niveau sich bekanntermaßen an jedermann richtet, die also auch vom fast noch Analphabeten gelesen und verstanden werden will. Selbst Tagesschausprecher und Fernsehkommentatoren bildeten keine Ausnahme.

Paul musste einräumen, dass viele stehende Begriffe ohne machen nicht zu machen waren: Einen Witz machen, Abitur machen, Karriere machen, Werbung machen, Lärm machen. Paul formulierte gewählter: Einen Witz erzählen? Das war etwas anderes, als einen Witz zu machen. Das Abitur absolvieren? Karriere fördern, anstreben? Werbung gestalten, kreieren? Lärm verbreiten? Das meinte alles nicht dasselbe. Paul kritisierte den Gebrauch des Wortes machen in anderen Fällen, nämlich immer dann, wenn er die deutsche Sprache seiner Auffassung nach verödete, um nicht zu sagen verblödete: Microsoft will Open Source machen. Wir machen auch Hausbesuche. Viele Deutsche machen wenigstens einmal im Monat Sport. Versandfertigmacher/in. Taliban machen Kinder ab sechs Jahren zu Mördern. Hunger und Seuchen machen sich im Irak breit.

Das waren nur die Beispiele der letzten Tage, an die er sich erinnerte. Paul hätte diese Liste beliebig fortsetzen können. Mit dem Wort machen ließ sich sogar Politik machen. Nicht die Amerikaner waren es, die sich im Irak breitgemacht und für Not und Elend unter der Zivilbevölkerung gesorgt hatten. Nein, Hunger und Seuchen machten sich breit. Das klang doch gleich ganz anders, neutraler, nach Schicksal, nach höheren Mächten oder dem normalen Lebensrisiko. Deutschland war für Paul jedenfalls das Land der Macher. Er wollte nicht dazugehören. Deshalb tadelte er sich beim Verlassen des Apartments für seine Wortwahl.

Er ließ Claudia und Alexandra in dem Glauben zurück, er wolle mit dem Fahrrad unterwegs. Claudias Lap hatte er zehn Minuten zuvor unbemerkt hinausgeschmuggelt und im Kofferraum seines 5er BMW verstaut. Gerrits Schuppen und das Netz in der Nachbarschaft wollte er nicht noch einmal nutzen. Linksys und sein problemloser Internetzugang heute Vormittag hatten Paul aber auf eine Idee gebracht. Er beabsichtigte, ein anderes, ebenfalls ungeschütztes Netz ausfindig zu machen, weiter entfernt von ihrer Ferienwohnung. Seit der Berichterstattung über die Verbreitung von Kinderpornografie im Netz und die illegalen MP3-Musiktauschbörsen wusste Paul, dass die Provider jeden Internetzugang ihrer Kunden detailliert protokollierten und speicherten. Jede Aktivität im Internet konnte eindeutig einer IP-Adresse zugeordnet und diese über die Internetprovider unzweifelhaft bis zum jeweiligen Kunden zurückverfolgt werden. Es wäre also möglich, Gerrits Nachbarn zu ermitteln. Die Tatsache, dass sein Netzwerk ungeschützt war, würde jeden, der sich in der Nähe seines Hauses aufhielt, zu einem potentiellen Übeltäter machen. Dazu würde im Zweifelsfall natürlich Gerrit zählen, aber auch die Mieter seiner Ferienwohnungen.


Paul-auf-dem-Weg-zu-seinem-BMW

Paul kam an diesem Nachbargrundstück vorbei und bewunderte den Garten


Ihr BMW, den Paul immer mein BMW nannte, parkte am Straßenrand, nicht direkt vor Gerrits Grundstück, sondern zwanzig Meter weiter auf den zur Kirche gehörenden Parkplätzen. Paul nahm sich vor, die Kirche und den Friedhof im Urlaub auf jeden Fall einmal aufzusuchen. Ohne festes Ziel gelangte er nach Alkmaar und folgte fast schon gewohnheitsmäßig der Ausschilderung Richtung Bergen. Die Radtour steckte ihm noch in den Beinen. Seine Entdecker- und Abenteuerlust war für heute mehr als gestillt. So gelangte er in den Ort, den er schon kannte und den er erst vor etwas weniger als zwei Stunden mit dem Fahrrad verlassen hatte.

.
1366 mal gelesen

Trackback URL:
https://kriminalroman.twoday.net/stories/4409306/modTrackback

Paul

Outplacement (Kriminalroman)

Herzlich willkommen!

Du bist nicht angemeldet.

Sie lesen

in meinem autobiografischen Kriminalroman, der sich seit dem 30. Oktober 2007 in Arbeit befindet. (Sollte Ihre Startseite nur ein Kapitel des Romans zeigen, klicken Sie bitte oben auf PAUL.) Für mich geht es beim Schreiben in erster Linie darum, die Geschehnisse der letzten Monate aufzuarbeiten, soweit dieses überhaupt möglich sein wird. Ich möchte hier nichts beschönigen, nichts zu erklären versuchen, mich weder rechtfertigen noch selbstbezichtigen, sondern Abstand gewinnen. Zeit zum Schreiben habe ich in diesen Tagen und Wochen weiß Gott genug. Er möge mir auch die nötige Kraft und Hoffnung geben, um den Roman und mein Leben zu einem guten Ende zu bringen. Der Gedanke daran, dass Sie und andere Leser an meinem Schicksal teilnehmen, ist tröstlich und hilfreich. Ich danke Ihnen!

Was erwartet Sie?

Ohne zuviel vorwegzunehmen: Sicherlich keine leichte Unterhaltung! Aus der Sicht desjenigen, der die Geschichte durchlebt hat, kann von 'leicht' keine Rede sein. Es geht um Hörstürze, Arbeitsplatzverlust, Aufhebungsvertrag, Midlife-Krise, Globalisierung, Outsourcing, Outplacement und Sozialabbau. Aber auch um eine kritische Grundeinstellung und eine recht unglückliche Kettenreaktion. Paul war Personalleiter mit viel Sympathie für Betriebsräte und Arbeitnehmerinteres- sen. Sie erfahren ganz viel über Paul, seine Familie, sein Lieblingsland Italien, seine Urlaubsreisen, Holland, Indien, Japan, China, das Go-Spiel, Hamburg, die Alster und 'seinen' HSV, Schleswig-Holstein, Quickborn, die Bee Gees und, ob Sie wollen oder nicht, über die 'gute' alte Zeit.

INHALT (bisher)


Moin, ich bin Paul!

Eine Art Vorwort ...

1 Ausblick ........... 2 Frühstückstisch ... 3 Ins Netz gegangen 4 Die Achillesferse . 5 Das Mittelmeer ... 6 Gastschüler ....... 7 Tour de France ... 8 Michi ............... 9 Aan Zee ........... 10 Grundsatz- diskussion ........... 11 Der Kongress .... 12 Die Macher ...... 13 Bergen ........... 14 Wilhemminalaan 15 InterRail ......... 16 Für Marijke ...... 17 Die Kernspaltung 18 Personal- management ........ 19 Simmungs- schwankung ......... 20 Die Referenten .. 21 Gmail ............. 22 Die Biografie .... 23 An der Alster ..... 24 Das Hotel ......... 25 Global ............ 26 Das Aquarium .... 27 Die Enten ......... 28 Die Fütterung .... 29 Purismus .......... 30 Hochsitze ....... 31 Eine richtige Familie ............... 32 Tönning .......... 33 Jojo .............. 34 Fußball ............ 35 Café au lait ...... 36 Führungs- grundsätze ........... 37 Uganda ............ 38 Im Internet ....... 39 Volendam ......... 40 Das Abendblatt .. 41 SONY ............. 42 Der Schwindel ... 43 Camcorder ....... 44 Die Einstellung ... 45 Piazza dei Miracoli .............. 46 Go ................. 47 Der Mensch ....... 48 Der Anruf ......... 49 Im Laufschritt .... 50 Besinnung ........ 51 Alles OK .......... 52 Positives Denken 53 Die Bootsfahrt ... 54 Indien.............. 55 Ein Traum ........ 56 Königsberger Klopse ................ 57 Negativ ........... 58 Bella Napoli ...... 59 Schizophrenie ... 60 Der Einkauf ...... 61 Betriebliche Altersversorgung .... 62 Durchgang verboten ............. 63 Finanzamt Elmshorn ............. 64 Woodstock ....... 65 Der letzte Tag ... 66 Im Wald .......... 67 Das Gespräch .... 68 Die Mutprobe .... 69 Die Bee Gees .... 70 Goede namiddag!
FORTSETZUNG FOLGT

Aktuelle Beiträge

Ich fürchte ein Blog...
Ich fürchte ein Blog ist nicht unbedingt das richtige...
Aurisa - 30. Aug, 13:02
Die Bee Gees
Kapitel 69 - 18. Juni 2007 Um sich abzuspannen,...
wortmeldung - 12. Jul, 12:53

Pauls Linkliste bitte hier Wählen und Klicken

PAULS TOP 18 (Singles alphabetisch sortiert)

Assembly
Never Never

Badfinger
Baby Blue

Bee Gees
The Only Love

Golden Earing
When The Lady Smiles

John Fogerty
Rock And Roll Girl

Journey
Faithfully

Lake
Do I Love You

Manfred Mann
You Angel You

Marc Anthony
You Sang To Me

Mink DeVille
Each Word's A Beat Of My Heart

O-Town
These Are The Days

Paper Lace
Love Song

Peter Gabriel
Solsbury Hill

Queen
I Want To Break Free

Stevie Nicks
Talk To Me

Train
Drops Of Jupiter

Tremeloes
(Call Me) Number One

White Lion
You're All I Need

Bearbeitung und Veröffentlichung

Ich untersage hiermit ausdrücklich die Bearbeitung von Inhalten meines Weblogs (Texte, Fotos) sowie deren Weitergabe bzw. Veröffentlichung in bearbeiteter und unbearbeiteter Form sowohl im Web, auf CD oder DVD als auch in Printmedien. Bei entsprechendem Interesse nehmen Sie bitte Kontakt auf.

Kontakt, Copyright

Internet-Mailer@web.de -------------------------------- Sollte jemand der Auffassung sein, ein auf dieser Seite verwendeter Text oder ein verwendetes Bild verstoße gegen Copyright-Vorschriften, werde ich es nach entsprechender Mitteilung umgehend entfernen. Alle Namen im Romantext sind mit Ausnahme meines eigenen Vornamens frei erfunden.

Suche

 

Credits

Knallgrau New Media Solutions - Web Agentur f�r neue Medien

powered by Antville powered by Helma


xml version of this page

twoday.net AGB


Status

Online seit 6024 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. Jan, 20:38


Besucherzähler

Kapitel 01 bis 10
Kapitel 11 bis 20
Kapitel 21 bis 30
Kapitel 31 bis 40
Kapitel 41 bis 50
Kapitel 51 bis 60
Kapitel 61 bis 70
Moin und Vorwort
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren