Tönning
Kapitel 32 - 15. Juni 2007
Paul mochte Schwäne seit seiner frühesten Kindheit. Sein Großvater war mit ihm oft zu Hans und Grete gegangen, die im kleinen Stadtpark von Tönning jedes Jahr von neuem ihre Küken aufzogen. Die Ringstraße entlang in Richtung Hafen, dann nach rechts zum Marktplatz. Paul kannte die Kirche und wusste, dass sich direkt daneben das Kino befand. Hier hatte er seinen ersten Kinofilm gesehen, den Zeichentrickfilm Bambi. Schrecklich und unvergesslich, wie Bambi in der für Paul traurigsten Szene der Filmgeschichte seine Mutter verlor. Damals muss es gewesen sein, dass er mit neun Jahren das erste Mal mit dem Tod konfrontiert worden war. Aber auch an Bambis Freunde, das freche Kaninchen Klopfer und das schüchterne Stinktier Blume, erinnerte er sich.
Vom Marktplatz waren es nur wenige Schritte zum Stadtpark, der direkt hinter dem Deich lag. Die Schwäne waren ihm riesengroß vorgekommen und sein Großvater hatte ihn zur Vorsicht gemahnt. Die Schwäne hätten ihm mit einem Flügelschlag den Arm brechen können. Doch Paul war als Kind immer sehr vorsichtig, ja fast ein wenig ängstlich gewesen. Paul besaß nur noch drei kleine quadratische Schwarz-Weiß-Fotos von Hans und Grete, aufgenommen mit seinem ersten Fotoapparat, einer Agfa-Click. Paul bereute, dass er seinen Opa nicht fotografiert hatte. Immer, wenn Paul seitdem Schwäne sah, musste er an seinen Opa denken und fotografieren.
Paul fotografierte seine holländischen Schwäne. Das Entenbrot schwamm auf der Wasseroberfläche. Die Kleinen waren schon satt.
Sein Opa war ein besonderer Mensch gewesen, der sich, ganz anders als alle anderen Erwachsenen jener Zeit, Zeit für ihn genommen hatte. Fünf Jahre später hatten ihn seine Eltern vom Hamburger Hauptbahnhof abgeholt und ohne Vorwarnung direkt zur Kirche nach Tönning gefahren. Während Paul vier Wochen als Austauschschüler in der Normandie, in der Nähe von Rouen, gewesen war, war sein Großvater viel zu früh gestorben. Er hatte sich einer Leistenoperation unterziehen müssen. Im Krankenhaus hatten sie seine Medikamente abgesetzt. Darunter auch seine Herztabletten. Am nächsten Tag, noch vor der Operation, war dann sein Herz stehengeblieben. In der Kirche, den ganzen Weg von der Kirche bis zum Friedhof und am offenen Grab hatte Paul immer wieder geweint und geschluchzt. Seine zweite Begegnung mit dem Tod kam für ihn zu unvorbereitet. Er hatte das ungute Gefühl, dass alle Verwandten, vor allem aber sein Vater, der Meinung gewesen seien, er hätte mehr Haltung bewahren sollen.
Paul verband das Ende seiner Kindheit mit genau diesem Tag. Seine Oma war zu seinem Onkel nach Schleswig gezogen. Von da an gab es keine Besuche der Fischkutter mehr, keine fangfrischen Krabben, kein Krabbenpulen, keine klappernden Störche auf dem Dach nebenan, kein Fußballspielen am Deich, keine Deichspaziergänge vorbei an den Schafen, unter denen sich immer auch mindestens ein schwarzes befunden hatte.
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Paul mochte Schwäne seit seiner frühesten Kindheit. Sein Großvater war mit ihm oft zu Hans und Grete gegangen, die im kleinen Stadtpark von Tönning jedes Jahr von neuem ihre Küken aufzogen. Die Ringstraße entlang in Richtung Hafen, dann nach rechts zum Marktplatz. Paul kannte die Kirche und wusste, dass sich direkt daneben das Kino befand. Hier hatte er seinen ersten Kinofilm gesehen, den Zeichentrickfilm Bambi. Schrecklich und unvergesslich, wie Bambi in der für Paul traurigsten Szene der Filmgeschichte seine Mutter verlor. Damals muss es gewesen sein, dass er mit neun Jahren das erste Mal mit dem Tod konfrontiert worden war. Aber auch an Bambis Freunde, das freche Kaninchen Klopfer und das schüchterne Stinktier Blume, erinnerte er sich.
Vom Marktplatz waren es nur wenige Schritte zum Stadtpark, der direkt hinter dem Deich lag. Die Schwäne waren ihm riesengroß vorgekommen und sein Großvater hatte ihn zur Vorsicht gemahnt. Die Schwäne hätten ihm mit einem Flügelschlag den Arm brechen können. Doch Paul war als Kind immer sehr vorsichtig, ja fast ein wenig ängstlich gewesen. Paul besaß nur noch drei kleine quadratische Schwarz-Weiß-Fotos von Hans und Grete, aufgenommen mit seinem ersten Fotoapparat, einer Agfa-Click. Paul bereute, dass er seinen Opa nicht fotografiert hatte. Immer, wenn Paul seitdem Schwäne sah, musste er an seinen Opa denken und fotografieren.
Paul fotografierte seine holländischen Schwäne. Das Entenbrot schwamm auf der Wasseroberfläche. Die Kleinen waren schon satt.
Sein Opa war ein besonderer Mensch gewesen, der sich, ganz anders als alle anderen Erwachsenen jener Zeit, Zeit für ihn genommen hatte. Fünf Jahre später hatten ihn seine Eltern vom Hamburger Hauptbahnhof abgeholt und ohne Vorwarnung direkt zur Kirche nach Tönning gefahren. Während Paul vier Wochen als Austauschschüler in der Normandie, in der Nähe von Rouen, gewesen war, war sein Großvater viel zu früh gestorben. Er hatte sich einer Leistenoperation unterziehen müssen. Im Krankenhaus hatten sie seine Medikamente abgesetzt. Darunter auch seine Herztabletten. Am nächsten Tag, noch vor der Operation, war dann sein Herz stehengeblieben. In der Kirche, den ganzen Weg von der Kirche bis zum Friedhof und am offenen Grab hatte Paul immer wieder geweint und geschluchzt. Seine zweite Begegnung mit dem Tod kam für ihn zu unvorbereitet. Er hatte das ungute Gefühl, dass alle Verwandten, vor allem aber sein Vater, der Meinung gewesen seien, er hätte mehr Haltung bewahren sollen.
Paul verband das Ende seiner Kindheit mit genau diesem Tag. Seine Oma war zu seinem Onkel nach Schleswig gezogen. Von da an gab es keine Besuche der Fischkutter mehr, keine fangfrischen Krabben, kein Krabbenpulen, keine klappernden Störche auf dem Dach nebenan, kein Fußballspielen am Deich, keine Deichspaziergänge vorbei an den Schafen, unter denen sich immer auch mindestens ein schwarzes befunden hatte.
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Paul - Outplacement - 26. Nov, 17:50
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