Besinnung

Kapitel 50 - 17. Juni 2007


Paul hatte unruhig geschlafen. Er wachte in diesem Urlaub ungewöhnlich früh auf. Bisher war es ihr gemeinsames Leben lang immer Claudia gewesen, die als erste aufstand. Es regnete. Wie gut, dass sie für heute keinen Ausflug geplant hatten. Paul setzte sich auf die Terrasse. Die Dachterrasse der oberen Ferienwohnung bot ausreichend Schutz vor dem Regen. In dem Ruderboot, das zu ihrer Wohnung gehörte, stand das Wasser bereits einige Zentimeter hoch. Paul war allein, keine Menschenseele weit und breit, nicht einmal eine Ente war zu sehen. Bis auf die sanften, vom Niederschlag verursachten Geräusche herrschte Stille. Friedhofsstille. Paul versuchte nicht zu denken. Er wollte diesen Tag genießen, voll genießen. Und wenn er seine Gedanken schon nicht ganz abstellen konnte, dann wollte er wenigstens 'positiv' denken. Das hatte er sich fest vorgenommen.

Er freute sich auf das Rosinenbrot zum Frühstück, auf den Kaffee und auf seine Damen. Die Luft hatte sich trotz des länger anhaltenden Regens nur unwesentlich abgekühlt, sodass sie auf der Terrasse essen konnten. Bis dahin würden noch zwei Stunden vergehen. Schön diese Ruhe. In der Ferne fuhr langsam ein Kahn durchs Bild. Paul erkannte auf einem der Felder sogar einen Graureiher. Gerrit und seine Frau, denen neben ihrem vermieteten Gästehaus noch genügend Platz am Wasser zur Verfügung stand, hatten es wirklich gut. Die beiden waren sehr sympathisch und zuvorkommend, wirkten immer ausgeglichen und waren die idealen Gastgeber. Sogar die Kirchenglocken waren heute friedlich. Der Gottesdienst würde erst in ungefähr einer halben Stunde beginnen. Vielleicht sollte Paul den Gottesdienst besuchen. Er wäre bis zum gemeinsamen Frühstück rechtzeitig zurück.

Er war kein Kirchgänger. Pauls Realschullehrer, der das Fach Religion unterrichtete, hatte die Klasse einmal gefragt, wer von den Schülern an Gott glauben würde. Außer Paul hatte sich nur noch ein Klassenkamerad gemeldet von insgesamt einundzwanzig. Paul würde sich auch heute noch melden, auch wenn er nicht im streng christlichen Sinne glaubte. Dazu hatte er sich zu viel mit Hermann Hesse beschäftigt und mit den fernöstlichen Philosophien und Religionen. Auch war sein Glaube unstet. Er gelang im nicht durchgehend. Schon das lateinische Wort 'religio', was soviel heißt wie Rückbindung oder Rückbesinnung, deutet an, dass es sich beim Glauben um keinen rein passiven Vorgang handelt. Der Glaube oder der heilige Geist kommen eben nicht einfach so von oben angeflogen. Man muss sich schon selbst in Bewegung setzen, muss sich quasi rückwärts bewegen, zurück zu den Wurzeln. Besinnung auch Rückbesinnung braucht viel Zeit und Muße und den Fokus auf das Wesentliche, das Ziel, den Glauben. Zeit und Muße hatte Paul in seiner Jugend und Studentenzeit sehr viel mehr gehabt als heute.

Plötzlich dachte Paul, er hätte eine Eingebung. Er traute seinen Augen nicht. Das, was er da kommen sah, das hatte ihm wirklich der Himmel geschickt. Er stand auf, ging so leise er konnte durch das Zimmer, in dem Alexandra noch schlief und Claudia inzwischen las, und holte seine Digitalkamera. Als er wieder auf die Terrasse hinaustrat, war seine Schwanenfamilie schon angekommen. Er hatte das Gefühl, dass die kleinen Schwäne seit dem letzten Mal gewachsen waren. Kein Wunder bei der guten Verpflegung. Das Weißbrot schmeckte ihnen bestens, das konnte Paul sehen. Er wusste gar nicht, wo er das Weißbrot so schnell hergenommen hatte. Er wusste ebenso wenig, wie viele Fotos er schon wieder auf die xD-Karte seiner Olympus gespeichert hatte. Er wusste nur, dass sie voll werden würde.

Paul lächelte.

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Paul

Outplacement (Kriminalroman)

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in meinem autobiografischen Kriminalroman, der sich seit dem 30. Oktober 2007 in Arbeit befindet. (Sollte Ihre Startseite nur ein Kapitel des Romans zeigen, klicken Sie bitte oben auf PAUL.) Für mich geht es beim Schreiben in erster Linie darum, die Geschehnisse der letzten Monate aufzuarbeiten, soweit dieses überhaupt möglich sein wird. Ich möchte hier nichts beschönigen, nichts zu erklären versuchen, mich weder rechtfertigen noch selbstbezichtigen, sondern Abstand gewinnen. Zeit zum Schreiben habe ich in diesen Tagen und Wochen weiß Gott genug. Er möge mir auch die nötige Kraft und Hoffnung geben, um den Roman und mein Leben zu einem guten Ende zu bringen. Der Gedanke daran, dass Sie und andere Leser an meinem Schicksal teilnehmen, ist tröstlich und hilfreich. Ich danke Ihnen!

Was erwartet Sie?

Ohne zuviel vorwegzunehmen: Sicherlich keine leichte Unterhaltung! Aus der Sicht desjenigen, der die Geschichte durchlebt hat, kann von 'leicht' keine Rede sein. Es geht um Hörstürze, Arbeitsplatzverlust, Aufhebungsvertrag, Midlife-Krise, Globalisierung, Outsourcing, Outplacement und Sozialabbau. Aber auch um eine kritische Grundeinstellung und eine recht unglückliche Kettenreaktion. Paul war Personalleiter mit viel Sympathie für Betriebsräte und Arbeitnehmerinteres- sen. Sie erfahren ganz viel über Paul, seine Familie, sein Lieblingsland Italien, seine Urlaubsreisen, Holland, Indien, Japan, China, das Go-Spiel, Hamburg, die Alster und 'seinen' HSV, Schleswig-Holstein, Quickborn, die Bee Gees und, ob Sie wollen oder nicht, über die 'gute' alte Zeit.

INHALT (bisher)


Moin, ich bin Paul!

Eine Art Vorwort ...

1 Ausblick ........... 2 Frühstückstisch ... 3 Ins Netz gegangen 4 Die Achillesferse . 5 Das Mittelmeer ... 6 Gastschüler ....... 7 Tour de France ... 8 Michi ............... 9 Aan Zee ........... 10 Grundsatz- diskussion ........... 11 Der Kongress .... 12 Die Macher ...... 13 Bergen ........... 14 Wilhemminalaan 15 InterRail ......... 16 Für Marijke ...... 17 Die Kernspaltung 18 Personal- management ........ 19 Simmungs- schwankung ......... 20 Die Referenten .. 21 Gmail ............. 22 Die Biografie .... 23 An der Alster ..... 24 Das Hotel ......... 25 Global ............ 26 Das Aquarium .... 27 Die Enten ......... 28 Die Fütterung .... 29 Purismus .......... 30 Hochsitze ....... 31 Eine richtige Familie ............... 32 Tönning .......... 33 Jojo .............. 34 Fußball ............ 35 Café au lait ...... 36 Führungs- grundsätze ........... 37 Uganda ............ 38 Im Internet ....... 39 Volendam ......... 40 Das Abendblatt .. 41 SONY ............. 42 Der Schwindel ... 43 Camcorder ....... 44 Die Einstellung ... 45 Piazza dei Miracoli .............. 46 Go ................. 47 Der Mensch ....... 48 Der Anruf ......... 49 Im Laufschritt .... 50 Besinnung ........ 51 Alles OK .......... 52 Positives Denken 53 Die Bootsfahrt ... 54 Indien.............. 55 Ein Traum ........ 56 Königsberger Klopse ................ 57 Negativ ........... 58 Bella Napoli ...... 59 Schizophrenie ... 60 Der Einkauf ...... 61 Betriebliche Altersversorgung .... 62 Durchgang verboten ............. 63 Finanzamt Elmshorn ............. 64 Woodstock ....... 65 Der letzte Tag ... 66 Im Wald .......... 67 Das Gespräch .... 68 Die Mutprobe .... 69 Die Bee Gees .... 70 Goede namiddag!
FORTSETZUNG FOLGT

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Never Never

Badfinger
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John Fogerty
Rock And Roll Girl

Journey
Faithfully

Lake
Do I Love You

Manfred Mann
You Angel You

Marc Anthony
You Sang To Me

Mink DeVille
Each Word's A Beat Of My Heart

O-Town
These Are The Days

Paper Lace
Love Song

Peter Gabriel
Solsbury Hill

Queen
I Want To Break Free

Stevie Nicks
Talk To Me

Train
Drops Of Jupiter

Tremeloes
(Call Me) Number One

White Lion
You're All I Need

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