Der Schwindel

Kapitel 42 - 16. Juni 2007


"Hast du den Artikel über den Schwindel gelesen?", fragte Claudia, die in einer ihrer Frauenzeitschriften blätterte.
"Nein, du weißt doch, dass ich deine Zeitschriften nicht lese."
"Gut, dann les ich mal vor."
"Jojo, ich bin gerade im Internet!"
"Macht nichts. Geht ganz schnell." Paul hatte keine Chance.

"Psychisch bedingter Schwindel - ein Teufelskreis. Der psychisch bedingte, so genannte phobische Schwankschwindel kommt bei Menschen vor, die zu vermehrter Selbstkontrolle neigen. Meist hat der Patient am Anfang der Erkrankung eine Schwindelattacke als sehr verunsichernd erlebt. Daraufhin bekommt er Angst vor dem nächsten Anfall und beobachtet sich vermehrt. Schwindel bedeutet sowohl körperlich als auch seelisch den Verlust des Gleichgewichts. Nicht selten taucht der Schwindel in Lebensphasen auf, die von Unsicherheit und Veränderung geprägt sind: Wenn durch eine Trennung, durch den Verlust des Arbeitplatzes oder die Geburt eines Kindes zeitweise der Boden unter den Füßen verloren geht, dann kann die Seele so überfordert sein, dass sich diese Überforderung als Schwindel äußert. Oft sind davon sehr perfektionistische Menschen betroffen, die alles unter Kontrolle behalten möchten und dieses Kontrollgefühl auf ihre Balance übertragen. In einer gewissen Weise lenkt der Schwindel von den Problemen ab. Trauer, Angst und Sorgen werden nicht mehr gespürt. Wenn Gefühle durch körperliche Symptome wie Schwindel 'ersetzt' werden, spricht der Psychologe von Affektäquivalent. Schwindel ist häufig ein Begleitsymptom anderer seelischer Probleme. Zum Beispiel leiden viele Angstpatienten darunter."

"Interessant. Affektäquivalent. Sehr interessant." Paul quittierte Claudias Störung mit Ironie und hätte viel lieber an die schöne Bootsfahrt vom Nachmittag gedacht.


Bootsfahrt-Volendaam-Marken

Blick vom Boot aus zurück auf Volendam


"Nun tu bloß nicht so. Das trifft doch alles voll auf dich zu. Du hattest deinen Arbeitsplatz verloren. Und du bist ein Typ, der sich weder Gefühle noch Ängste eingestehen will."
"Ja klar! Und die Geburt von Alexandra hat bei mir eine Phobie ausgelöst und mir den Boden unter den Füßen weggezogen!?"
"Stimmt, seitdem bist du eifersüchtig!", mischte sich Alexandra ins Gespräch.
"Nun fang du nicht auch noch an! Lasst mich hier bitte jetzt weitermachen. Ich suche uns gerade einen Camcorder aus."

Claudia und Alexandra gaben wieder Ruhe. Er und eifersüchtig? Welch ein Unsinn! Pauls Schwindel sollte Platzhalter für Sorgen oder Ängste sein? Er sollte sich sozusagen selbst etwas vorgeschwindelt haben? Selbst wenn dem so gewesen sein sollte, dann hatte er jetzt keine Sorgen und Ängste mehr, denn sein Schwindel war eigentlich weg. Bis auf wenige Ausnahmen und immer dann, wenn es irgendwo besonders steil bergab ging. Als sie auf Capri den Sessellift auf den Monte Salero genommen hatten, musste er mit geschlossenen Augen hoch und auch wieder hinunter fahren. Das war schlimm gewesen. Für jeweils mindestens acht Minuten hing er allein in einem frei schwebenden Sitz. Jedes Mal, wenn er an einem T-förmigen Haltemast vorbeikam, wurde er durchgeschaukelt. Seine nach unten hängenden Beine konnten nicht frei baumeln, dazu war er viel zu angespannt gewesen. Zehn bis fünfzehn Meter vor ihm fuhr Alexandra und hinter ihm Claudia, die ihm immer wieder etwas Beruhigendes zurief. Geholfen hatte ihm das aber auch nicht sehr. Er konnte sie ja nicht sehen. Die Augen auch nur einen kleinen Moment öffnen? Das hätte die Aktion und seinen Zustand nur noch verschlimmert. Er wusste, dass unter ihm ein freier Fall von mindestens zehn Metern auf ihn wartete, wenn jetzt etwas passieren würde. Der Fall wäre nicht so entscheidend gewesen wie der Aufprall auf den Felsformationen. Da hätte es ein runder Felsen genauso getan wie ein spitzer. Und auch die Marienbrücke, die über den Abgrund der Pöllatschlucht führt und von der man einen so herrlichen Blick auf das Schloss Neuschwanstein genießt, konnte er nicht überqueren. Claudia und Alexandra hatten ihn stützen müssen. An das Brückengeländer hatte er sich nicht vorwagen können.

Gut, aber das waren eben ganz seltene Momente und die hatten nun garantiert nichts mit irgendwelchen wie auch immer gearteten Sorgen oder Kindheitserlebnissen zu tun.

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Paul

Outplacement (Kriminalroman)

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in meinem autobiografischen Kriminalroman, der sich seit dem 30. Oktober 2007 in Arbeit befindet. (Sollte Ihre Startseite nur ein Kapitel des Romans zeigen, klicken Sie bitte oben auf PAUL.) Für mich geht es beim Schreiben in erster Linie darum, die Geschehnisse der letzten Monate aufzuarbeiten, soweit dieses überhaupt möglich sein wird. Ich möchte hier nichts beschönigen, nichts zu erklären versuchen, mich weder rechtfertigen noch selbstbezichtigen, sondern Abstand gewinnen. Zeit zum Schreiben habe ich in diesen Tagen und Wochen weiß Gott genug. Er möge mir auch die nötige Kraft und Hoffnung geben, um den Roman und mein Leben zu einem guten Ende zu bringen. Der Gedanke daran, dass Sie und andere Leser an meinem Schicksal teilnehmen, ist tröstlich und hilfreich. Ich danke Ihnen!

Was erwartet Sie?

Ohne zuviel vorwegzunehmen: Sicherlich keine leichte Unterhaltung! Aus der Sicht desjenigen, der die Geschichte durchlebt hat, kann von 'leicht' keine Rede sein. Es geht um Hörstürze, Arbeitsplatzverlust, Aufhebungsvertrag, Midlife-Krise, Globalisierung, Outsourcing, Outplacement und Sozialabbau. Aber auch um eine kritische Grundeinstellung und eine recht unglückliche Kettenreaktion. Paul war Personalleiter mit viel Sympathie für Betriebsräte und Arbeitnehmerinteres- sen. Sie erfahren ganz viel über Paul, seine Familie, sein Lieblingsland Italien, seine Urlaubsreisen, Holland, Indien, Japan, China, das Go-Spiel, Hamburg, die Alster und 'seinen' HSV, Schleswig-Holstein, Quickborn, die Bee Gees und, ob Sie wollen oder nicht, über die 'gute' alte Zeit.

INHALT (bisher)


Moin, ich bin Paul!

Eine Art Vorwort ...

1 Ausblick ........... 2 Frühstückstisch ... 3 Ins Netz gegangen 4 Die Achillesferse . 5 Das Mittelmeer ... 6 Gastschüler ....... 7 Tour de France ... 8 Michi ............... 9 Aan Zee ........... 10 Grundsatz- diskussion ........... 11 Der Kongress .... 12 Die Macher ...... 13 Bergen ........... 14 Wilhemminalaan 15 InterRail ......... 16 Für Marijke ...... 17 Die Kernspaltung 18 Personal- management ........ 19 Simmungs- schwankung ......... 20 Die Referenten .. 21 Gmail ............. 22 Die Biografie .... 23 An der Alster ..... 24 Das Hotel ......... 25 Global ............ 26 Das Aquarium .... 27 Die Enten ......... 28 Die Fütterung .... 29 Purismus .......... 30 Hochsitze ....... 31 Eine richtige Familie ............... 32 Tönning .......... 33 Jojo .............. 34 Fußball ............ 35 Café au lait ...... 36 Führungs- grundsätze ........... 37 Uganda ............ 38 Im Internet ....... 39 Volendam ......... 40 Das Abendblatt .. 41 SONY ............. 42 Der Schwindel ... 43 Camcorder ....... 44 Die Einstellung ... 45 Piazza dei Miracoli .............. 46 Go ................. 47 Der Mensch ....... 48 Der Anruf ......... 49 Im Laufschritt .... 50 Besinnung ........ 51 Alles OK .......... 52 Positives Denken 53 Die Bootsfahrt ... 54 Indien.............. 55 Ein Traum ........ 56 Königsberger Klopse ................ 57 Negativ ........... 58 Bella Napoli ...... 59 Schizophrenie ... 60 Der Einkauf ...... 61 Betriebliche Altersversorgung .... 62 Durchgang verboten ............. 63 Finanzamt Elmshorn ............. 64 Woodstock ....... 65 Der letzte Tag ... 66 Im Wald .......... 67 Das Gespräch .... 68 Die Mutprobe .... 69 Die Bee Gees .... 70 Goede namiddag!
FORTSETZUNG FOLGT

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