Im Wald

Kapitel 66 - 18. Juni 2007


Jetzt befand sich Paul in heller Auflösung. Genau im dem Moment, in dem er den sicheren Ort, seinen Wagen, verlassen hatte, um sich im Sichtschatten eines der Rhododendren zum Wald zu schleichen, kam ein PKW und fuhr in die direkt neben seinem Parkplatz liegende Parkbucht. Paul war bereits auf der Höhe des Kofferraums gewesen, den er geistesgegenwärtig geöffnet und an dem er eine Weile hantiert hatte. Er war für solche Sachen einfach nicht geschaffen. Nur gut, dass er seine Herztablette am Morgen nicht vergessen hatte. Er sah den Fahrer des anderen Wagens genauso wenig, wie der ihn. Erst als einige Minuten vergangen waren, schloss Paul den Kofferraumdeckel behutsam und ging aufrecht und möglichst unverkrampft auf den Wald zu.

Die zwanzig Meter kamen im kilometerlang vor. Er spürte in seinem Rücken jede Menge Augenpaare auf sich gerichtet. Er ging mit nach unten gebeugtem Oberkörper in den Wald hinein und bückte sich hier und da, so wie es ein Pilzsammler getan hätte, bis er fast nichts mehr vom Hotel und von den Parkplätzen sehen konnte. Einen ausgetretenen Pfad gab es hier nicht aber auch kein nennenswertes Unterholz, so dass Paul ohne Schwierigkeiten die von ihm vorgesehene Richtung einschlagen konnte. Er umging das Bosvrede in einem Bogen bis er die rückseitige Fassade, das Restaurant und die Terrasse erahnen konnte. Es war jetzt etwa 15 Uhr. Die dichten Baumkronen ließen keine direkten Sonnenstrahlen hindurch. Es war weder hell noch so richtig dunkel.

Paul versuchte abzuschätzen, ob er schon angekommen war oder noch zwanzig Schritte weitergehen sollte. Hier fühlte er sich einigermaßen sicher. Aber hier konnte er nicht bleiben, auch wenn er gern die Dunkelheit abgewartet hätte. Leider ging das nicht. Schließlich musste er seine Damen am Abend vom Bahnhof abholen. Der Boden war teilweise etwas sandig, als würde er auf einer Düne wandern. Das verursachte weniger Geräusche, hinterließ aber womöglich Fußabdrücke. Vorsichtig näherte er sich dem Hotel. Eigentlich müsste er ihn von hier aus sehen können. Schon merkwürdig. Er sah den Hochsitz vor lauter Bäumen nicht.

Er brauchte weitere fünf Minuten bis er ihn ausfindig gemacht und sich ihm bis auf wenige Schritte genähert hatte, als ein zweimaliges lautes Knacken hinter ihm seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war so erstarrt, dass er erst nach bangen Sekunden langsam den Kopf drehte. Statt so schnell wie möglich auf den Hochsitz zu flüchten, blieb er wie gelähmt stehen. Ein Wildschwein hätte leichtes Spiel mit ihm gehabt, aber es war nichts zu sehen, weder ein Keiler noch ein anderes Tier. Komisch, das hatte er sich nicht eingebildet. Allerdings war er seit einigen Jahren nicht mehr im Wald gewesen und gerade heute waren seine Nerven äußerst angespannt. Das Knacken konnte durch alles Mögliche verursacht worden sein. Jetzt war es mucksmäuschenstill.


neu-2

Paul schaute sich um und atmete tief durch. Kein Wildschwein in Sicht.


Nachdem er seinen Blick noch einmal über den Hotelkomplex schweifen ließ, widmete er seine Aufmerksamkeit dem etwa zehn Meter entfernten Hochsitz. So wie Paul jetzt stand, war sein Sichtfeld auf den Hochsitz von nur zwei Baumstämmen leicht eingeschränkt. Er hatte gehofft, dass die Leiter des Hochsitzes auf der dem Wald zugewandten Seite angebracht sein würde, so dass er beim Hochsteigen das Hotel im Blick behalten konnte. Das hatte sich der Jäger wohl auch so gedacht, wenngleich es zu jener Zeit noch kein Hotel, sondern nur eine große Lichtung gegeben haben dürfte. Paul zückte seine Digitalkamera wie ein fotografierfreudiger Naturliebhaber und tat noch einmal einige Schritte auf den Hochsitz zu. Dann blieb er wieder stehen und horchte. Wer ihn so schleichen sah, musste mehr Verdacht schöpfen, als wenn er einfach mir nichts, dir nichts auf den Hochsitz zugegangen wäre und ihn ohne Zögern erklommen hatte. Aber er wollte nach Möglichkeit eben gar nicht erst entdeckt werden.

Bis auf die unterste Sprosse schien die Leiter intakt zu sein. Ob sie 98 Kilo tragen würde? Paul bedauerte schon, sich seit Tagen mit dem leckeren Marzipan-Rosinenbrot vollgestopft zu haben. Er ließ seine Digitalkamera wieder in seine linke Hosentasche gleiten. Nicht nur, dass er beide Hände zum Hochsteigen benötigte, wenn er entdeckt würde, womöglich vom Hotelpersonal, dann war es doch besser, sie würden nicht Anstoß daran nehmen, dass es so aussah, als würde er ihr Hotel und die Hotelgäste fotografieren wollen. Als Ortsunkundiger hatte er sich halt verlaufen und der Versuchung nicht widerstehen können, einen leibhaftigen Hochsitz zu besteigen. Paul wartete bis sich sein Puls etwas beruhigte.

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Paul

Outplacement (Kriminalroman)

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in meinem autobiografischen Kriminalroman, der sich seit dem 30. Oktober 2007 in Arbeit befindet. (Sollte Ihre Startseite nur ein Kapitel des Romans zeigen, klicken Sie bitte oben auf PAUL.) Für mich geht es beim Schreiben in erster Linie darum, die Geschehnisse der letzten Monate aufzuarbeiten, soweit dieses überhaupt möglich sein wird. Ich möchte hier nichts beschönigen, nichts zu erklären versuchen, mich weder rechtfertigen noch selbstbezichtigen, sondern Abstand gewinnen. Zeit zum Schreiben habe ich in diesen Tagen und Wochen weiß Gott genug. Er möge mir auch die nötige Kraft und Hoffnung geben, um den Roman und mein Leben zu einem guten Ende zu bringen. Der Gedanke daran, dass Sie und andere Leser an meinem Schicksal teilnehmen, ist tröstlich und hilfreich. Ich danke Ihnen!

Was erwartet Sie?

Ohne zuviel vorwegzunehmen: Sicherlich keine leichte Unterhaltung! Aus der Sicht desjenigen, der die Geschichte durchlebt hat, kann von 'leicht' keine Rede sein. Es geht um Hörstürze, Arbeitsplatzverlust, Aufhebungsvertrag, Midlife-Krise, Globalisierung, Outsourcing, Outplacement und Sozialabbau. Aber auch um eine kritische Grundeinstellung und eine recht unglückliche Kettenreaktion. Paul war Personalleiter mit viel Sympathie für Betriebsräte und Arbeitnehmerinteres- sen. Sie erfahren ganz viel über Paul, seine Familie, sein Lieblingsland Italien, seine Urlaubsreisen, Holland, Indien, Japan, China, das Go-Spiel, Hamburg, die Alster und 'seinen' HSV, Schleswig-Holstein, Quickborn, die Bee Gees und, ob Sie wollen oder nicht, über die 'gute' alte Zeit.

INHALT (bisher)


Moin, ich bin Paul!

Eine Art Vorwort ...

1 Ausblick ........... 2 Frühstückstisch ... 3 Ins Netz gegangen 4 Die Achillesferse . 5 Das Mittelmeer ... 6 Gastschüler ....... 7 Tour de France ... 8 Michi ............... 9 Aan Zee ........... 10 Grundsatz- diskussion ........... 11 Der Kongress .... 12 Die Macher ...... 13 Bergen ........... 14 Wilhemminalaan 15 InterRail ......... 16 Für Marijke ...... 17 Die Kernspaltung 18 Personal- management ........ 19 Simmungs- schwankung ......... 20 Die Referenten .. 21 Gmail ............. 22 Die Biografie .... 23 An der Alster ..... 24 Das Hotel ......... 25 Global ............ 26 Das Aquarium .... 27 Die Enten ......... 28 Die Fütterung .... 29 Purismus .......... 30 Hochsitze ....... 31 Eine richtige Familie ............... 32 Tönning .......... 33 Jojo .............. 34 Fußball ............ 35 Café au lait ...... 36 Führungs- grundsätze ........... 37 Uganda ............ 38 Im Internet ....... 39 Volendam ......... 40 Das Abendblatt .. 41 SONY ............. 42 Der Schwindel ... 43 Camcorder ....... 44 Die Einstellung ... 45 Piazza dei Miracoli .............. 46 Go ................. 47 Der Mensch ....... 48 Der Anruf ......... 49 Im Laufschritt .... 50 Besinnung ........ 51 Alles OK .......... 52 Positives Denken 53 Die Bootsfahrt ... 54 Indien.............. 55 Ein Traum ........ 56 Königsberger Klopse ................ 57 Negativ ........... 58 Bella Napoli ...... 59 Schizophrenie ... 60 Der Einkauf ...... 61 Betriebliche Altersversorgung .... 62 Durchgang verboten ............. 63 Finanzamt Elmshorn ............. 64 Woodstock ....... 65 Der letzte Tag ... 66 Im Wald .......... 67 Das Gespräch .... 68 Die Mutprobe .... 69 Die Bee Gees .... 70 Goede namiddag!
FORTSETZUNG FOLGT

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You Sang To Me

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Each Word's A Beat Of My Heart

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