Finanzamt Elmshorn
Kapitel 63 - 18. Juni 2007
Ich bin doch bescheuert, dachte Paul, als er im Wagen saß. Ich bekomme die größten Schweißausbrüche, wenn ich mich über einen fremden Router ins Internet einwähle, womit ich nun wirklich niemandem wehtue. Ich flüchte, sobald nur irgendwo ein 'Zugang verboten'-Schild vor mir auftaucht. Habe ich kein Ticket gelöst, sehe ich mich noch tagelang von Sondereinsatzkommandos verfolgt. Das kann doch nicht wahr sein. Alle Welt um ihn herum scherte sich den Teufel um Gesetze und Vorschriften. Ganz im Gegenteil, je verrückter und skrupelloser desto besser. Amerikanische Musikstars und diese Paris Hilton wurden durch Gesetzesüberschreitungen, Gerichtsprozesse, Schuldsprüche und Gefängnisaufenthalte erst so richtig populär und erfolgreich. Es schadete ihnen nicht. Es kam ihnen sogar zugute. Fußballprofis drohten Eigentore zu schießen, um ihre gültigen Verträge nicht erfüllen zu müssen. Vorstandsmitglieder großer Unternehmen durften bestechen wie sie wollten, kassierten dafür Jahresbezüge von mehreren Millionen Euro, um sich anschließend vor Gericht mit 40000 Euro frei zu kaufen. Und die braven Bürger waren die Dummen.
Paul musste immer wieder an den dreisten Beamten vom Finanzamt Elmshorn denken, der ihm so übel mitgespielt hatte. Er war bereits einige Jahre selbstständig gewesen, als das Finanzamt eine Prüfung in seinen Räumen angekündigt hatte. Als der Prüfer auf der Matte stand, begehrte er zunächst einmal, sein Büro inspizieren zu dürfen. Paul hatte zwar kein Arbeitszimmer von der Steuer abgesetzt, aber er wollte sich konstruktiv geben und den Prüfer auf gar keinen Fall gegen sich aufbringen. Also führte er den Herrn in ihr Schlafzimmer. Die Bemerkung, die der Prüfer beim Anblick der Büroecke zwar nicht über das Büro-im-Schlafzimmer, aber über Pauls Bürostuhl machte, hätten nach Pauls Ermessen für ein Amtsenthebungsverfahren ausreichen müssen, auch wenn es so etwas für die deutschen Finanzbeamten wahrscheinlich gar nicht gab. Es war ein Stuhl aus der Zeit des Jugendstil, den Claudia von ihrem Vater geerbt hatte. Paul hatte die höhnischen Worte des Prüfers zum Glück wirklich vergessen, nicht aber den Vorfall an sich. Er hätte ihn nie beweisen können und die Prüfung stand ihm ja noch bevor.
Paul hatte zwar keinen einzigen Fehler zu seinen Gunsten in seine Umsatz- und Einkommensteuer-Erklärungen eingebaut. Die Erklärungen für die drei Jahre, die geprüft werden sollten, stimmten bis auf den letzten Cent. Er hatte keinen einzigen Beleg von Verwandten einfließen lassen und auch keine Privatausgabe als Betriebsausgabe gezählt. Er hatte keine Betriebsausgabe doppelt eingerechnet, wie es andere gern schon einmal, natürlich 'aus Versehen', taten. Er hatte keine Familienangehörigen angestellt, ohne dass diese wirklich beschäftigt wurden. Seine Mutter hatte in einen Jahr für ihn den Schriftverkehr und die Ausfertigung von Unterlagen übernommen. Seine Geschäfte waren so gut gelaufen, dass er es nicht allein geschafft hatte. Obwohl er nichts zu verbergen hatte, wollte er doch, dass der Prüfer so schnell wie möglich wieder aus ihrer Wohnung verschwand. Paul schluckte deshalb nur und bot dem Prüfer eine Tasse Kaffee an.
Der Prüfer prüfte und prüfte, drei Tage lang und er wurde fündig, wo gar nichts zu finden war! Der PC, die Kosten für Software, Internet und Drucker wurden Paul nur zur Hälfte als Betriebsausgaben anerkannt. Paul beteuerte, was auch wirklich so war, dass er weder den PC noch das Internet jemals privat genutzt hatte. Alexandra war erst fünf Jahre alt gewesen. Er hätte sie nie an den PC mit seinen Firmendaten und -programmen gelassen. Das wäre viel zu riskant gewesen. Claudia wollte von Computern gar nichts wissen und er selbst saß während seiner Arbeit lange genug vor dem Bildschirm. Spiele am Computer? Das war nichts für ihn und nackte Tatsachen, das hatte er auch nicht nötig. (Er hatte sich in seinem Leben noch nicht ein einziges Mal eine von diesen Männerzeitschriften gekauft.) Der Prüfer fragte ihn, ob er beweisen könne, den PC nicht privat genutzt zu haben. Versuchen Sie einmal zu beweisen, dass etwas, das nicht passiert ist, wirklich nicht passiert ist. Das ist nach allen Gesetzen der Logik schlichtweg unmöglich. Das geht einfach nicht. Beweisen Sie einmal, dass Sie noch nie ein Wildschwein geküsst haben! Beweisen Sie das einmal! Sehen Sie, es geht nicht.
So in der Art versuchte Paul, das dem Prüfer verständlich zu machen. Ohne Erfolg. Der Prüfer sagte noch die folgenden Sätze, die sich Paul gut gemerkt hatte: "Aller Erfahrung nach wird bei den Angaben zur betrieblichen PC-Nutzung gelogen! Wenn sie möchten, dass wir ihre Steuerklärung, und da denke ich vor allem an die Tätigkeit ihrer Mutter, noch einmal intensiver prüfen, können sie ja Widerspruch gegen den Bescheid einlegen." Eine bodenlose Unverschämtheit und noch dazu gleich eine doppelte! Der Finanzbeamte aus Elmshorn bedeutete ihm, da alle lügen, müsse er das auch bei ihm unterstellen. Und da der Beamte gerade dabei war, unterstellte er Pauls Mutter gleich noch, an seinem angeblichen Steuerdelikt mitgewirkt zu haben. Das war der Gipfel! Paul hatte keinen Widerspruch eingelegt. Seine Mutter war nach mehreren Herzattacken stark angeschlagen. Schon ein offizielles amtliches Schreiben des Finanzamtes wäre ihrer Gesundheit alles andere als zuträglich gewesen. Das Risiko war Paul damals einfach zu groß. Er hatte schweren Herzens auf mehr als 3600 Euro verzichten müssen, die er aufgefordert wurde, an das Finanzamt nachzuentrichten.
Paul war als redlicher Steuerzahler alles andere als gut auf das Finanzamt Elmshorn zu sprechen, allerdings aus anderen Gründen als die meisten seiner Mitbürger
Weil alle betrogen, wurde er zur Kasse gebeten. Unmoral zahlte sich aus. Ehrlichkeit wurde bestraft. Das war Paul damals in aller Deutlichkeit klargemacht worden. Er konnte trotzdem nicht aus seiner Haut. Er achtete Verbotsschilder auch heute noch und er kletterte nicht über Absperrzäune. Einer verdorbenen Gesellschaft sollte es nicht gelingen, ihn zu verderben.
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Ich bin doch bescheuert, dachte Paul, als er im Wagen saß. Ich bekomme die größten Schweißausbrüche, wenn ich mich über einen fremden Router ins Internet einwähle, womit ich nun wirklich niemandem wehtue. Ich flüchte, sobald nur irgendwo ein 'Zugang verboten'-Schild vor mir auftaucht. Habe ich kein Ticket gelöst, sehe ich mich noch tagelang von Sondereinsatzkommandos verfolgt. Das kann doch nicht wahr sein. Alle Welt um ihn herum scherte sich den Teufel um Gesetze und Vorschriften. Ganz im Gegenteil, je verrückter und skrupelloser desto besser. Amerikanische Musikstars und diese Paris Hilton wurden durch Gesetzesüberschreitungen, Gerichtsprozesse, Schuldsprüche und Gefängnisaufenthalte erst so richtig populär und erfolgreich. Es schadete ihnen nicht. Es kam ihnen sogar zugute. Fußballprofis drohten Eigentore zu schießen, um ihre gültigen Verträge nicht erfüllen zu müssen. Vorstandsmitglieder großer Unternehmen durften bestechen wie sie wollten, kassierten dafür Jahresbezüge von mehreren Millionen Euro, um sich anschließend vor Gericht mit 40000 Euro frei zu kaufen. Und die braven Bürger waren die Dummen.
Paul musste immer wieder an den dreisten Beamten vom Finanzamt Elmshorn denken, der ihm so übel mitgespielt hatte. Er war bereits einige Jahre selbstständig gewesen, als das Finanzamt eine Prüfung in seinen Räumen angekündigt hatte. Als der Prüfer auf der Matte stand, begehrte er zunächst einmal, sein Büro inspizieren zu dürfen. Paul hatte zwar kein Arbeitszimmer von der Steuer abgesetzt, aber er wollte sich konstruktiv geben und den Prüfer auf gar keinen Fall gegen sich aufbringen. Also führte er den Herrn in ihr Schlafzimmer. Die Bemerkung, die der Prüfer beim Anblick der Büroecke zwar nicht über das Büro-im-Schlafzimmer, aber über Pauls Bürostuhl machte, hätten nach Pauls Ermessen für ein Amtsenthebungsverfahren ausreichen müssen, auch wenn es so etwas für die deutschen Finanzbeamten wahrscheinlich gar nicht gab. Es war ein Stuhl aus der Zeit des Jugendstil, den Claudia von ihrem Vater geerbt hatte. Paul hatte die höhnischen Worte des Prüfers zum Glück wirklich vergessen, nicht aber den Vorfall an sich. Er hätte ihn nie beweisen können und die Prüfung stand ihm ja noch bevor.
Paul hatte zwar keinen einzigen Fehler zu seinen Gunsten in seine Umsatz- und Einkommensteuer-Erklärungen eingebaut. Die Erklärungen für die drei Jahre, die geprüft werden sollten, stimmten bis auf den letzten Cent. Er hatte keinen einzigen Beleg von Verwandten einfließen lassen und auch keine Privatausgabe als Betriebsausgabe gezählt. Er hatte keine Betriebsausgabe doppelt eingerechnet, wie es andere gern schon einmal, natürlich 'aus Versehen', taten. Er hatte keine Familienangehörigen angestellt, ohne dass diese wirklich beschäftigt wurden. Seine Mutter hatte in einen Jahr für ihn den Schriftverkehr und die Ausfertigung von Unterlagen übernommen. Seine Geschäfte waren so gut gelaufen, dass er es nicht allein geschafft hatte. Obwohl er nichts zu verbergen hatte, wollte er doch, dass der Prüfer so schnell wie möglich wieder aus ihrer Wohnung verschwand. Paul schluckte deshalb nur und bot dem Prüfer eine Tasse Kaffee an.
Der Prüfer prüfte und prüfte, drei Tage lang und er wurde fündig, wo gar nichts zu finden war! Der PC, die Kosten für Software, Internet und Drucker wurden Paul nur zur Hälfte als Betriebsausgaben anerkannt. Paul beteuerte, was auch wirklich so war, dass er weder den PC noch das Internet jemals privat genutzt hatte. Alexandra war erst fünf Jahre alt gewesen. Er hätte sie nie an den PC mit seinen Firmendaten und -programmen gelassen. Das wäre viel zu riskant gewesen. Claudia wollte von Computern gar nichts wissen und er selbst saß während seiner Arbeit lange genug vor dem Bildschirm. Spiele am Computer? Das war nichts für ihn und nackte Tatsachen, das hatte er auch nicht nötig. (Er hatte sich in seinem Leben noch nicht ein einziges Mal eine von diesen Männerzeitschriften gekauft.) Der Prüfer fragte ihn, ob er beweisen könne, den PC nicht privat genutzt zu haben. Versuchen Sie einmal zu beweisen, dass etwas, das nicht passiert ist, wirklich nicht passiert ist. Das ist nach allen Gesetzen der Logik schlichtweg unmöglich. Das geht einfach nicht. Beweisen Sie einmal, dass Sie noch nie ein Wildschwein geküsst haben! Beweisen Sie das einmal! Sehen Sie, es geht nicht.
So in der Art versuchte Paul, das dem Prüfer verständlich zu machen. Ohne Erfolg. Der Prüfer sagte noch die folgenden Sätze, die sich Paul gut gemerkt hatte: "Aller Erfahrung nach wird bei den Angaben zur betrieblichen PC-Nutzung gelogen! Wenn sie möchten, dass wir ihre Steuerklärung, und da denke ich vor allem an die Tätigkeit ihrer Mutter, noch einmal intensiver prüfen, können sie ja Widerspruch gegen den Bescheid einlegen." Eine bodenlose Unverschämtheit und noch dazu gleich eine doppelte! Der Finanzbeamte aus Elmshorn bedeutete ihm, da alle lügen, müsse er das auch bei ihm unterstellen. Und da der Beamte gerade dabei war, unterstellte er Pauls Mutter gleich noch, an seinem angeblichen Steuerdelikt mitgewirkt zu haben. Das war der Gipfel! Paul hatte keinen Widerspruch eingelegt. Seine Mutter war nach mehreren Herzattacken stark angeschlagen. Schon ein offizielles amtliches Schreiben des Finanzamtes wäre ihrer Gesundheit alles andere als zuträglich gewesen. Das Risiko war Paul damals einfach zu groß. Er hatte schweren Herzens auf mehr als 3600 Euro verzichten müssen, die er aufgefordert wurde, an das Finanzamt nachzuentrichten.
Paul war als redlicher Steuerzahler alles andere als gut auf das Finanzamt Elmshorn zu sprechen, allerdings aus anderen Gründen als die meisten seiner Mitbürger
Weil alle betrogen, wurde er zur Kasse gebeten. Unmoral zahlte sich aus. Ehrlichkeit wurde bestraft. Das war Paul damals in aller Deutlichkeit klargemacht worden. Er konnte trotzdem nicht aus seiner Haut. Er achtete Verbotsschilder auch heute noch und er kletterte nicht über Absperrzäune. Einer verdorbenen Gesellschaft sollte es nicht gelingen, ihn zu verderben.
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Paul - Outplacement - 29. Mai, 20:48
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