Königsberger Klopse
Kapitel 56 - 17. Juni 2007
Beim Abendessen besprachen Claudia und Alexandra, wann sie morgen aufbrechen wollten. Nicht zu früh, so gegen elf sollte er sie zum Bahnhof in Heerhugowaard fahren. Paul bat sie, wieder ein Abendblatt mitzubringen und bitte auch eine Frankfurter Allgemeine oder eine Frankfurter Rundschau. Alexandra erzählte von einer E-Mail, die ihr Nadim geschickt hatte. Der Gastschüler aus Jordanien, der in Wichita auf ihre High School gegangen war und ein Auge auf sie geworfen hatte, wohnte mit seinen Eltern in Beirut. Er hatte Alexandra eingeladen, ihn in den nächsten Sommerferien zu besuchen. Sie könne im Haus seiner Familie wohnen. Wenn sie wolle, würde er mit ihr Petra besichtigen.
"Ist das dein Ernst?", fragte Claudia, die sich für Jungengeschichten immer brennend interessierte.
"Ne Mama, aber sein Ernst, glaub ich."
Paul interessierte sich eher für den geografischen Teil der Information.
"Wer oder was ist Petra?" Von Jordanien hatte er noch weniger Ahnung als von Indien. "Das ist eine antike Felsenstadt in Jordanien etwa aus der Zeit um Christi, eine der neu gewählten Weltwunder.", erklärte Claudia. Das musste sie gerade in einer ihrer Zeitschriften gelesen haben.
Paul zollte ihr Respekt: "Nicht schlecht!"
"Papa, was ist eigentlich heute mit dir los?"
"Wieso?"
"Du nervst gar nicht so rum wie sonst."
"Weil ich mit dir Boot gefahren bin?"
"Nein, insgesamt."
Paul: "Ich sag nur: Positiv Thinking!"
"Xandra, du weißt doch: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.", mischte sich Claudia ein.
"Ist doch schon Abend, Mama."
"Das hält Papa aber nicht lange durch! Sein Negativismus ist angeboren. Warte nur ab." Ja, dachte Paul, ist der Ruf erst ruiniert, wird man ihn so schnell nicht wieder los. Das Image hatte er sich über Jahre aufgebaut.
"Wollen wir wetten?", fragte er Claudia.
Aber Claudia war mehr an Nadim und seiner E-Mail interessiert und unterhielt sich schon wieder mit Alexandra. Paul belastete sein innerfamiliäres Negativimage gar nicht so sehr, jedenfalls heute nicht. Dass seine kritische Art aber offenbar auch einen bleibenden Eindruck bei seinem Unterbewusstsein hinterlassen hatte, das nahm er sehr viel ernster. Das hatte ihn, ehrlich gesagt, ein wenig geschockt. Oder wie war es zu erklären, dass er ausgerechnet an einem für ihn durch und durch positiven Tag einen Traum träumte, in dem ein Leuchter während einer Konfirmation zwei Kirchgänger erschlug? Konnte sich sein Unterbewusstsein nicht damit abfinden, dass er einen ganzen Tag lang ausschließlich positiv dachte und fühlte? Rebellierte sein Innerstes dagegen? Musste sich seine negative Energie auf andere Weise ausleben? Stimmte es, dass er von Natur aus, oder wie Claudia sich ausdrückte, von Geburt an negativ dachte? Er war kein Psychologe. Er konnte sich das alles nicht erklären. Paul war gerne Freigeist, war lieber Opposition als Mainstream. Das gab er gerne zu. Damit kokettierte er ab und zu sogar. Aber von Natur aus negativ? Das gefiel ihm ganz und gar nicht!
Paul hatte seinen Teller geleert. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er die Königsberger Klopse gar nicht richtig genossen hatte. Zu schade. Zum Glück hatte Claudia für morgen mitgekocht, so dass er sich einen Nachschlag genehmigen konnte. Von seinem Vater hatte er gehört, dass es im Hause seines Großvaters zu Kaiser Wilhelms Zeiten strikt verboten gewesen sein soll, bei Tisch zu sprechen. Damals konnten sich die Geschmacksnerven noch voll und ganz auf die Königsberger Klopse konzentrieren. Paul wusste nicht, ob das Gericht damals in Dithmarschen schon bekannt war oder ob die deutschen Flüchtlinge das Rezept erst gegen Ende des zweiten Weltkrieges aus Ostpreußen und Pommern mitgebracht hatten. Egal, der Nachschlag schmeckte ihm ganz ausgezeichnet. Das Essen war für Paul die Krönung dieses wunderschönen Urlaubstages.
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Beim Abendessen besprachen Claudia und Alexandra, wann sie morgen aufbrechen wollten. Nicht zu früh, so gegen elf sollte er sie zum Bahnhof in Heerhugowaard fahren. Paul bat sie, wieder ein Abendblatt mitzubringen und bitte auch eine Frankfurter Allgemeine oder eine Frankfurter Rundschau. Alexandra erzählte von einer E-Mail, die ihr Nadim geschickt hatte. Der Gastschüler aus Jordanien, der in Wichita auf ihre High School gegangen war und ein Auge auf sie geworfen hatte, wohnte mit seinen Eltern in Beirut. Er hatte Alexandra eingeladen, ihn in den nächsten Sommerferien zu besuchen. Sie könne im Haus seiner Familie wohnen. Wenn sie wolle, würde er mit ihr Petra besichtigen.
"Ist das dein Ernst?", fragte Claudia, die sich für Jungengeschichten immer brennend interessierte.
"Ne Mama, aber sein Ernst, glaub ich."
Paul interessierte sich eher für den geografischen Teil der Information.
"Wer oder was ist Petra?" Von Jordanien hatte er noch weniger Ahnung als von Indien. "Das ist eine antike Felsenstadt in Jordanien etwa aus der Zeit um Christi, eine der neu gewählten Weltwunder.", erklärte Claudia. Das musste sie gerade in einer ihrer Zeitschriften gelesen haben.
Paul zollte ihr Respekt: "Nicht schlecht!"
"Papa, was ist eigentlich heute mit dir los?"
"Wieso?"
"Du nervst gar nicht so rum wie sonst."
"Weil ich mit dir Boot gefahren bin?"
"Nein, insgesamt."
Paul: "Ich sag nur: Positiv Thinking!"
"Xandra, du weißt doch: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.", mischte sich Claudia ein.
"Ist doch schon Abend, Mama."
"Das hält Papa aber nicht lange durch! Sein Negativismus ist angeboren. Warte nur ab." Ja, dachte Paul, ist der Ruf erst ruiniert, wird man ihn so schnell nicht wieder los. Das Image hatte er sich über Jahre aufgebaut.
"Wollen wir wetten?", fragte er Claudia.
Aber Claudia war mehr an Nadim und seiner E-Mail interessiert und unterhielt sich schon wieder mit Alexandra. Paul belastete sein innerfamiliäres Negativimage gar nicht so sehr, jedenfalls heute nicht. Dass seine kritische Art aber offenbar auch einen bleibenden Eindruck bei seinem Unterbewusstsein hinterlassen hatte, das nahm er sehr viel ernster. Das hatte ihn, ehrlich gesagt, ein wenig geschockt. Oder wie war es zu erklären, dass er ausgerechnet an einem für ihn durch und durch positiven Tag einen Traum träumte, in dem ein Leuchter während einer Konfirmation zwei Kirchgänger erschlug? Konnte sich sein Unterbewusstsein nicht damit abfinden, dass er einen ganzen Tag lang ausschließlich positiv dachte und fühlte? Rebellierte sein Innerstes dagegen? Musste sich seine negative Energie auf andere Weise ausleben? Stimmte es, dass er von Natur aus, oder wie Claudia sich ausdrückte, von Geburt an negativ dachte? Er war kein Psychologe. Er konnte sich das alles nicht erklären. Paul war gerne Freigeist, war lieber Opposition als Mainstream. Das gab er gerne zu. Damit kokettierte er ab und zu sogar. Aber von Natur aus negativ? Das gefiel ihm ganz und gar nicht!
Paul hatte seinen Teller geleert. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er die Königsberger Klopse gar nicht richtig genossen hatte. Zu schade. Zum Glück hatte Claudia für morgen mitgekocht, so dass er sich einen Nachschlag genehmigen konnte. Von seinem Vater hatte er gehört, dass es im Hause seines Großvaters zu Kaiser Wilhelms Zeiten strikt verboten gewesen sein soll, bei Tisch zu sprechen. Damals konnten sich die Geschmacksnerven noch voll und ganz auf die Königsberger Klopse konzentrieren. Paul wusste nicht, ob das Gericht damals in Dithmarschen schon bekannt war oder ob die deutschen Flüchtlinge das Rezept erst gegen Ende des zweiten Weltkrieges aus Ostpreußen und Pommern mitgebracht hatten. Egal, der Nachschlag schmeckte ihm ganz ausgezeichnet. Das Essen war für Paul die Krönung dieses wunderschönen Urlaubstages.
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Paul - Outplacement - 8. Apr, 23:13
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