Go
Kapitel 46 - 16. Juni 2007
Vom Schach, das er seit seinem neunzehnten Lebensjahr im Verein gespielt hatte, war Paul die letzte Zeit ganz abgekommen. Beim Schachspiel hat nach bereits acht bis zehn eigenen Zügen keine Chance mehr, wer die spezielle Eröffnung nicht kennt oder sie nicht ganz präzise spielt. Trotzdem kann sich die Partie bis zum bitteren Ende noch gut und gerne drei Stunden hinziehen. Paul mochte keine Eröffnungen studieren. Er mochte sich aber auch nicht stundenlang den Kopf zerbrechen, um letztendlich doch der ausweglosen Lage seiner Figuren Tribut zu zollen. In vielen Stellungen gab es höchstens einen vernünftig spielbaren Zug. Um den aber abzusichern, musste man im Kopf minutenlang alle denkbaren Spielabfolgen durchgehen. Nicht selten gab es aber auch gar keinen Erfolg versprechenden Zug mehr und man wurde nur immer weiter an die Wand gespielt. Das erlebte Paul, selbst dann, wenn er es war, der sich auf der Siegesstraße befand, als wenig stimmungsaufhellend. Stellungen, in denen keiner der Kontrahenten einen Vorteil erarbeiten konnten, die mit zunehmender Spielzeit immer blockierter wurden, bis irgendwann nichts mehr ging und ein Remisangebot erfolgte, wenn nicht doch noch einer der Spieler nach mehrstündigem Duell irgendeinen blöden Konzentrationsfehler beging, waren noch weniger prickelnd.
Beim Go hingegen standen beiden Spielern in vielen Phasen des Spiels eine ganze Reihe möglicherweise bester Züge zur Verfügung. Sie hatten beide die Qual der Wahl. Hinzu kam, dass ein Eröffnungsnachteil nicht zwangsläufig den Verlust der ganzen Partie nach sich ziehen musste.
Wer niemals Schach gespielt hat, der hat zumindest irgendwann einmal gehört, dass keine Schachpartie der anderen gleicht und es theoretisch Abermillionen von Spielabfolgen gibt. Theoretisch ist das auch so. Aber in der Realität spielen die meisten Spieler immer die gleiche Eröffnung, ihre Eröffnung, weil sie wissen, dass ihre Niederlage schon vorprogrammiert sein kann, wenn sie in einer ihnen unbekannten oder von ihnen lange nicht mehr gespielten Variante auch nur den zweitbesten Zug finden.
Beim Go-Spiel gibt es nicht nur theoretisch zigfach mehr Spielmöglichkeiten als beim Schach, jedes reale Spiel verläuft wirklich gänzlich unterschiedlich. Das gilt nicht nur für die Spiele der professionellen Spieler, der Spielstärken 9. bis 7. Dan, die vornehmlich aus Asien kommen, sondern auch für die weniger guten Spieler, die eine der Spielstärken 6. bis 15. Kyu aufweisen. Es gibt zahlreiche Verbindungen zwischen dem Go-Spiel und der Geistesgeschichte und Philosophie Chinas und Japans. Die Denk- und Geisteshaltung, die einen guten Go-Spieler auszeichnet, hat viel gemein mit dem Gedankengut des chinesischen Taoismus und des japanischen Zen.
Pauls Go-Brett mit den weißen und schwarzen Steinen
Paul hatte sich in das 19x19 Felder große Brett mit den schwarzen und weißen Spielsteinen verliebt. Im Go-Spiel gelang Paul das, was ihm im normalen Leben nicht gelang. Er sah nicht nur die gegeneinander antretenden weißen und schwarzen Steine, er sah nicht nur ihren Triumph und ihren Untergang, er sah auch das Verbindende, die Schönheit des Spiels, die Harmonie und die innere Gesetzmäßigkeit, mit der sich die Steine auf dem Brett anordneten. Keiner der Steine war privilegiert, keiner war König und keiner Bauer. Alle Steine waren gleichwertig und nahmen völlig gleichberechtigt an diesem großartigen Spiel teil.
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Vom Schach, das er seit seinem neunzehnten Lebensjahr im Verein gespielt hatte, war Paul die letzte Zeit ganz abgekommen. Beim Schachspiel hat nach bereits acht bis zehn eigenen Zügen keine Chance mehr, wer die spezielle Eröffnung nicht kennt oder sie nicht ganz präzise spielt. Trotzdem kann sich die Partie bis zum bitteren Ende noch gut und gerne drei Stunden hinziehen. Paul mochte keine Eröffnungen studieren. Er mochte sich aber auch nicht stundenlang den Kopf zerbrechen, um letztendlich doch der ausweglosen Lage seiner Figuren Tribut zu zollen. In vielen Stellungen gab es höchstens einen vernünftig spielbaren Zug. Um den aber abzusichern, musste man im Kopf minutenlang alle denkbaren Spielabfolgen durchgehen. Nicht selten gab es aber auch gar keinen Erfolg versprechenden Zug mehr und man wurde nur immer weiter an die Wand gespielt. Das erlebte Paul, selbst dann, wenn er es war, der sich auf der Siegesstraße befand, als wenig stimmungsaufhellend. Stellungen, in denen keiner der Kontrahenten einen Vorteil erarbeiten konnten, die mit zunehmender Spielzeit immer blockierter wurden, bis irgendwann nichts mehr ging und ein Remisangebot erfolgte, wenn nicht doch noch einer der Spieler nach mehrstündigem Duell irgendeinen blöden Konzentrationsfehler beging, waren noch weniger prickelnd.
Beim Go hingegen standen beiden Spielern in vielen Phasen des Spiels eine ganze Reihe möglicherweise bester Züge zur Verfügung. Sie hatten beide die Qual der Wahl. Hinzu kam, dass ein Eröffnungsnachteil nicht zwangsläufig den Verlust der ganzen Partie nach sich ziehen musste.
Wer niemals Schach gespielt hat, der hat zumindest irgendwann einmal gehört, dass keine Schachpartie der anderen gleicht und es theoretisch Abermillionen von Spielabfolgen gibt. Theoretisch ist das auch so. Aber in der Realität spielen die meisten Spieler immer die gleiche Eröffnung, ihre Eröffnung, weil sie wissen, dass ihre Niederlage schon vorprogrammiert sein kann, wenn sie in einer ihnen unbekannten oder von ihnen lange nicht mehr gespielten Variante auch nur den zweitbesten Zug finden.
Beim Go-Spiel gibt es nicht nur theoretisch zigfach mehr Spielmöglichkeiten als beim Schach, jedes reale Spiel verläuft wirklich gänzlich unterschiedlich. Das gilt nicht nur für die Spiele der professionellen Spieler, der Spielstärken 9. bis 7. Dan, die vornehmlich aus Asien kommen, sondern auch für die weniger guten Spieler, die eine der Spielstärken 6. bis 15. Kyu aufweisen. Es gibt zahlreiche Verbindungen zwischen dem Go-Spiel und der Geistesgeschichte und Philosophie Chinas und Japans. Die Denk- und Geisteshaltung, die einen guten Go-Spieler auszeichnet, hat viel gemein mit dem Gedankengut des chinesischen Taoismus und des japanischen Zen.
Pauls Go-Brett mit den weißen und schwarzen Steinen
Paul hatte sich in das 19x19 Felder große Brett mit den schwarzen und weißen Spielsteinen verliebt. Im Go-Spiel gelang Paul das, was ihm im normalen Leben nicht gelang. Er sah nicht nur die gegeneinander antretenden weißen und schwarzen Steine, er sah nicht nur ihren Triumph und ihren Untergang, er sah auch das Verbindende, die Schönheit des Spiels, die Harmonie und die innere Gesetzmäßigkeit, mit der sich die Steine auf dem Brett anordneten. Keiner der Steine war privilegiert, keiner war König und keiner Bauer. Alle Steine waren gleichwertig und nahmen völlig gleichberechtigt an diesem großartigen Spiel teil.
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Paul - Outplacement - 7. Feb, 21:29
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