Purismus
Kapitel 29 - 14. Juni 2007
Nach dem Essen erledigten sie alle zusammen den Abwasch. Auch Alexandra half, sogar ohne Extra-Aufforderung. Jeder war offensichtlich bemüht, keinen Anlass für erneuten Knaatsch zu geben. Claudia sah anschließend irgendeine der neuen Castingshows im Fernsehen. Alexandra chattete und sah nebenbei fern. Paul wollte seine Urlaubsfotos von der Digitalkamera auf Claudias Lap übertragen. Da sie trotz der unterschiedlichen Beschäftigungen alle im selben Zimmer saßen, hatte Paul das Gefühl von heiler Welt. So liebte er das Familienleben. Claudia spendierte ihnen beiden, so als hätte sie etwas gutzumachen, eine Flasche Rotwein und Paul Erdnüsse. Alexandra versorgte sich selbst mit Haribo. Pauls hatte sein Benutzerkonto auf Claudias Lap kennwortgeschützt, genauso wie Alexandra ihr Konto auf ihrem Lap. Claudias Konto war ohne Kennwort. Sie kannte sich damit nicht weiter aus.
Vor drei Jahren hatte Claudia so lange rumgejammert, bis sie einen Laptop angeschafft hatten. Schließlich, so argumentierte sie, hatten alle einen Lap. In allen ihren Zeitschriften, angefangen bei Schöner wohnen bis hin zu Atrium, waren die gestylten Wohnungen der oberen Zehntausend immer öfter mit einem Laptop ausstaffiert. Die abgebildeten riesengroßen Räume waren nie wohnlich eingerichtet, sondern spärlich. Das war in und lief unter der Bezeichnung Purismus. Eine Kunstrichtung, die rein dekorative Elemente offensichtlich total ablehnt. Außer leider nicht den Laptop, der vorzugsweise aufgeklappt und natürlich ohne Netzanschluss auf einem ansonsten leeren und langen Tisch platziert wird.
Paul hatte drei Stunden gebraucht, um damals das Betriebssystem, Word, den Internet-Explorer, Outlook, eine Firewall, ein Antivirenprogramm und Winamp aufzuspielen. Drei Tage hatte es ihn gekostet, das Wireless-Netzwerk zu installieren, alles anzuschließen, zigmal auszutesten, verzweifelt immer wieder den Lap und alle Wohnungszeitschriften dieser Welt zu verfluchen, den Router im Geschäft umzutauschen, alles wieder von vorn zu beginnen und endlich lauffähig zu bekommen. Mit seinem PC im Arbeitszimmer ging er aus Sicherheitsgründen weiter über Kabel ins Internet. Claudia nutzte ihren so sehnlichst herbeigeredeten Laptop ungefähr acht bis zehn Mal im Jahr, um bei Amazon Bücher, CDs oder DVDs zu bestellen. Er stand immer im Wohnzimmer auf dem Tisch. Ihre anfängliche Ebay-Euphorie war inzwischen total erloschen.
Vor einem Jahr brauchte Claudia dann ihren zweiten Laptop. Ihren ersten hatte sie an Alexandra weitergereicht, die ihn mit in die USA nahm. Damit war Claudias großes Computerzeitalter angebrochen. Jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen und noch bevor sie die Toilette aufgesucht hatte, war sie bereits online. Hatte Alexandra eine Mail geschickt oder nicht? Zwei bis dreimal in der Woche schrieben sie sich E-Mails hin und her. Seit März sah Paul Claudia noch häufiger am Lap. Die Tornadosaison hatte begonnen und Claudia rief alle paar Stunden die Tornadowarnungen für des Bundesstaat Kansas ab. Pauls Versuche, Claudia zu beruhigen, schlugen fehl, als ein eineinhalb Kilometer breiter Tornado der höchsten Gefährdungsstufe die 1.500 Einwohner zählende Kleinstadt Greensburg/Kansas dem Erdboden gleich machte. Etliche Tote. 95 Prozent der Häuser waren nicht einfach zerstört, sie waren weg. Nichts als Schutt und Kleinteile. Dreißig Kühe waren spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Paul und Claudia sahen die Bilder im Internet. Unglaublich! Einfach nur schrecklich!
Von da an schien Claudia mit ihrem Lap wie verwachsen. Beide bildeten so etwas wie eine Notgemeinschaft. Inzwischen war Claudias Lap wieder weitgehend beschäftigungslos, außer Paul nutzte ihn, wie jetzt. Das Foto-Stillleben mit dem kleinen Bier und dem 2 €-Stück war ausgezeichnet gelungen. Paul nahm einen Schluck vom Rotwein. Er schaute sich auch die Fotos vom Bosvrede genauer an und versuchte, die Zimmeranordnung und die Zimmernummern zu rekonstruieren. Ein anderes Foto vergrößerte er. Und tatsächlich, am Waldrand stand zwischen den ersten Bäumen ein Hochsitz.
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Nach dem Essen erledigten sie alle zusammen den Abwasch. Auch Alexandra half, sogar ohne Extra-Aufforderung. Jeder war offensichtlich bemüht, keinen Anlass für erneuten Knaatsch zu geben. Claudia sah anschließend irgendeine der neuen Castingshows im Fernsehen. Alexandra chattete und sah nebenbei fern. Paul wollte seine Urlaubsfotos von der Digitalkamera auf Claudias Lap übertragen. Da sie trotz der unterschiedlichen Beschäftigungen alle im selben Zimmer saßen, hatte Paul das Gefühl von heiler Welt. So liebte er das Familienleben. Claudia spendierte ihnen beiden, so als hätte sie etwas gutzumachen, eine Flasche Rotwein und Paul Erdnüsse. Alexandra versorgte sich selbst mit Haribo. Pauls hatte sein Benutzerkonto auf Claudias Lap kennwortgeschützt, genauso wie Alexandra ihr Konto auf ihrem Lap. Claudias Konto war ohne Kennwort. Sie kannte sich damit nicht weiter aus.
Vor drei Jahren hatte Claudia so lange rumgejammert, bis sie einen Laptop angeschafft hatten. Schließlich, so argumentierte sie, hatten alle einen Lap. In allen ihren Zeitschriften, angefangen bei Schöner wohnen bis hin zu Atrium, waren die gestylten Wohnungen der oberen Zehntausend immer öfter mit einem Laptop ausstaffiert. Die abgebildeten riesengroßen Räume waren nie wohnlich eingerichtet, sondern spärlich. Das war in und lief unter der Bezeichnung Purismus. Eine Kunstrichtung, die rein dekorative Elemente offensichtlich total ablehnt. Außer leider nicht den Laptop, der vorzugsweise aufgeklappt und natürlich ohne Netzanschluss auf einem ansonsten leeren und langen Tisch platziert wird.
Paul hatte drei Stunden gebraucht, um damals das Betriebssystem, Word, den Internet-Explorer, Outlook, eine Firewall, ein Antivirenprogramm und Winamp aufzuspielen. Drei Tage hatte es ihn gekostet, das Wireless-Netzwerk zu installieren, alles anzuschließen, zigmal auszutesten, verzweifelt immer wieder den Lap und alle Wohnungszeitschriften dieser Welt zu verfluchen, den Router im Geschäft umzutauschen, alles wieder von vorn zu beginnen und endlich lauffähig zu bekommen. Mit seinem PC im Arbeitszimmer ging er aus Sicherheitsgründen weiter über Kabel ins Internet. Claudia nutzte ihren so sehnlichst herbeigeredeten Laptop ungefähr acht bis zehn Mal im Jahr, um bei Amazon Bücher, CDs oder DVDs zu bestellen. Er stand immer im Wohnzimmer auf dem Tisch. Ihre anfängliche Ebay-Euphorie war inzwischen total erloschen.
Vor einem Jahr brauchte Claudia dann ihren zweiten Laptop. Ihren ersten hatte sie an Alexandra weitergereicht, die ihn mit in die USA nahm. Damit war Claudias großes Computerzeitalter angebrochen. Jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen und noch bevor sie die Toilette aufgesucht hatte, war sie bereits online. Hatte Alexandra eine Mail geschickt oder nicht? Zwei bis dreimal in der Woche schrieben sie sich E-Mails hin und her. Seit März sah Paul Claudia noch häufiger am Lap. Die Tornadosaison hatte begonnen und Claudia rief alle paar Stunden die Tornadowarnungen für des Bundesstaat Kansas ab. Pauls Versuche, Claudia zu beruhigen, schlugen fehl, als ein eineinhalb Kilometer breiter Tornado der höchsten Gefährdungsstufe die 1.500 Einwohner zählende Kleinstadt Greensburg/Kansas dem Erdboden gleich machte. Etliche Tote. 95 Prozent der Häuser waren nicht einfach zerstört, sie waren weg. Nichts als Schutt und Kleinteile. Dreißig Kühe waren spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Paul und Claudia sahen die Bilder im Internet. Unglaublich! Einfach nur schrecklich!
Von da an schien Claudia mit ihrem Lap wie verwachsen. Beide bildeten so etwas wie eine Notgemeinschaft. Inzwischen war Claudias Lap wieder weitgehend beschäftigungslos, außer Paul nutzte ihn, wie jetzt. Das Foto-Stillleben mit dem kleinen Bier und dem 2 €-Stück war ausgezeichnet gelungen. Paul nahm einen Schluck vom Rotwein. Er schaute sich auch die Fotos vom Bosvrede genauer an und versuchte, die Zimmeranordnung und die Zimmernummern zu rekonstruieren. Ein anderes Foto vergrößerte er. Und tatsächlich, am Waldrand stand zwischen den ersten Bäumen ein Hochsitz.
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Paul - Outplacement - 16. Nov, 12:16
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