Die Enten
Kapitel 27 - 14. Juni 2007
Die Enten kamen zurück. Wenn Paul eine Hand voll Weißbrotbrocken ins Wasser warf, veranstalteten sie ein regelrechtes Wettessen. Bald waren es zwölf, die um das Brot wetteiferten. Einige, immer dieselben, mitten im Getümmel, andere zurückhaltender. Im Fußball würde man sagen, körperloser, jeden Zweikampf meidend. Paul bediente bevorzugt die ruhigen, friedlichen. Das führte aber nur dazu, dass die mit dem Kämpferherzen noch aggressiver wurden und anfingen, ganz rüde vorzugehen. Den schwächeren Enten blieb nichts anderes übrig, als immer wieder die Flucht zu ergreifen. Schon nach kurzer Zeit sah Paul vereinzelt Federn auf der Wasseroberfläche treiben.
Konkurrenzkampf der Enten. Die drei Enten im Vordergrund hielten die hintere auf Abstand.
Wie gut, dass er keine Ente war. Entweder würde er ohne Federkleid durch die holländischen Grachten schwimmen oder schon in jungen Jahren (oder zählten die Enten die Monate?) elendig verhungert sein. Paul änderte seine Taktik. Erst warf er weit ausholend zwei, drei Krümel nach rechts außen. Nachdem sich die Vordrängler unter den Enten hinterher gestürzt hatten, streute er eine Handvoll Brot nach links. Dass klappte bestens und immer wieder aufs Neue. Paul setzte das Naturprogramm, das da lautet, Der Stärkere gewinnt, für ungefähr zwanzig Minuten außer Kraft. Leider nur bei den Enten.
Bei den gewissenlosen Menschen war das nicht so einfach. Die fühlten sich immer im Recht. Die konnten eine christliche Partei wählen, in der Kirche einen Euro für Brot für die Welt in den Klingelbeutel werfen, anschließend in ihren 40.000-Euro-Mercedes steigen, just for fun mal eben an die Ostsee oder in ihre 200 Quadratmeter-Wohnung fahren und eine Riesenparty mit Riesenbuffet geben, während auf der anderen Seite der Erdkugel jeden Tag 30.000 Kinder an Unterernährung starben. Paul hatte es aufgegeben, über Fragen wie Gerechtigkeit, Solidarität, christliche Botschaft oder Menschenliebe zu diskutieren. Er bekam immer die gleichen Argumente zu hören: Was konnte man schon dagegen tun? War das nicht schon immer so gewesen? Die arbeiten auch nicht so hart wie wir! Du fährst doch auch BMW, dann geh doch nach Afrika und kümmere dich um die Kinder.
Diese Antworten zeigten Paul, dass nicht einmal die Bereitschaft bestand, über die Schieflagen dieser Welt zu reden, geschweige denn, zumindest theoretisch, den Versuch zu unternehmen, sie ins Gleichgewicht zu bringen. Für das Handeln der Gutsituierten in seinem Umfeld besaß ein Menschenleben auf der anderen Erdhalbkugel keinerlei Bedeutung. Je reicher, desto unsensibler waren sie. Vielleicht waren sie reich geworden, weil sie so unsensibel waren? Wer jedoch den Finger in die Wunden dieser Welt legte, galt ganz schnell als nicht ernstzunehmender Weltverbesserer, als weltfremder Spinner, unverbesserlicher Pessimist, alter Kommunist oder, wenn der Diskussionspartner sehr engagiert auftrat, auch schon mal als angehender Terrorist.
Das hatte Paul häufig genug erlebt, sogar in sehr viel subtilerer Form. Ein Geschäftsführer seines zweiten Arbeitgebers hatte ihn vor versammelter Mannschaft mit dem Titel Pastor belegt, weil Paul gegen die Schließung der betrieblichen Kantine argumentiert hatte. Das war fünf Jahre nach seinem Betriebswirtschaftsstudium gewesen. Damals fuhr Paul noch seine Ente.
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Die Enten kamen zurück. Wenn Paul eine Hand voll Weißbrotbrocken ins Wasser warf, veranstalteten sie ein regelrechtes Wettessen. Bald waren es zwölf, die um das Brot wetteiferten. Einige, immer dieselben, mitten im Getümmel, andere zurückhaltender. Im Fußball würde man sagen, körperloser, jeden Zweikampf meidend. Paul bediente bevorzugt die ruhigen, friedlichen. Das führte aber nur dazu, dass die mit dem Kämpferherzen noch aggressiver wurden und anfingen, ganz rüde vorzugehen. Den schwächeren Enten blieb nichts anderes übrig, als immer wieder die Flucht zu ergreifen. Schon nach kurzer Zeit sah Paul vereinzelt Federn auf der Wasseroberfläche treiben.
Konkurrenzkampf der Enten. Die drei Enten im Vordergrund hielten die hintere auf Abstand.
Wie gut, dass er keine Ente war. Entweder würde er ohne Federkleid durch die holländischen Grachten schwimmen oder schon in jungen Jahren (oder zählten die Enten die Monate?) elendig verhungert sein. Paul änderte seine Taktik. Erst warf er weit ausholend zwei, drei Krümel nach rechts außen. Nachdem sich die Vordrängler unter den Enten hinterher gestürzt hatten, streute er eine Handvoll Brot nach links. Dass klappte bestens und immer wieder aufs Neue. Paul setzte das Naturprogramm, das da lautet, Der Stärkere gewinnt, für ungefähr zwanzig Minuten außer Kraft. Leider nur bei den Enten.
Bei den gewissenlosen Menschen war das nicht so einfach. Die fühlten sich immer im Recht. Die konnten eine christliche Partei wählen, in der Kirche einen Euro für Brot für die Welt in den Klingelbeutel werfen, anschließend in ihren 40.000-Euro-Mercedes steigen, just for fun mal eben an die Ostsee oder in ihre 200 Quadratmeter-Wohnung fahren und eine Riesenparty mit Riesenbuffet geben, während auf der anderen Seite der Erdkugel jeden Tag 30.000 Kinder an Unterernährung starben. Paul hatte es aufgegeben, über Fragen wie Gerechtigkeit, Solidarität, christliche Botschaft oder Menschenliebe zu diskutieren. Er bekam immer die gleichen Argumente zu hören: Was konnte man schon dagegen tun? War das nicht schon immer so gewesen? Die arbeiten auch nicht so hart wie wir! Du fährst doch auch BMW, dann geh doch nach Afrika und kümmere dich um die Kinder.
Diese Antworten zeigten Paul, dass nicht einmal die Bereitschaft bestand, über die Schieflagen dieser Welt zu reden, geschweige denn, zumindest theoretisch, den Versuch zu unternehmen, sie ins Gleichgewicht zu bringen. Für das Handeln der Gutsituierten in seinem Umfeld besaß ein Menschenleben auf der anderen Erdhalbkugel keinerlei Bedeutung. Je reicher, desto unsensibler waren sie. Vielleicht waren sie reich geworden, weil sie so unsensibel waren? Wer jedoch den Finger in die Wunden dieser Welt legte, galt ganz schnell als nicht ernstzunehmender Weltverbesserer, als weltfremder Spinner, unverbesserlicher Pessimist, alter Kommunist oder, wenn der Diskussionspartner sehr engagiert auftrat, auch schon mal als angehender Terrorist.
Das hatte Paul häufig genug erlebt, sogar in sehr viel subtilerer Form. Ein Geschäftsführer seines zweiten Arbeitgebers hatte ihn vor versammelter Mannschaft mit dem Titel Pastor belegt, weil Paul gegen die Schließung der betrieblichen Kantine argumentiert hatte. Das war fünf Jahre nach seinem Betriebswirtschaftsstudium gewesen. Damals fuhr Paul noch seine Ente.
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Paul - Outplacement - 9. Nov, 21:26
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